Moinsen, Moin-Moin, Glückauf, Grüß dich, Grüß Gott, Hallo, Tach auch, Guten Tag … und so weiter … das sind wohl alles recht bekannte und gebräuchliche Begrüßungsformeln. Seit heute kenne ich eine neue: „Brille!“ So begrüßte mich meine – nun möchte ich schon fast sagen – alte Bekannte, die kleine E. freudestrahlend. Der Bann ist also endgültig gebrochen. Für sie hatte ich heute eigens die „Henriette Bimmelbahn“ von James Krüss eingepackt. Im Übrigen, wer es bisher noch nicht wusste: mein Großvater Herbert war mit eben diesem phantastischen, famosen Schriftsteller befreundet! Na ja, das nur am Rande.
Also: E. ließ mich meine Brille aufsetzen, da es sonst mit dem Vorlesen schwer werden könnte. Und schon tauchten wir in die Welt der „Henriette“ mit all den wunderbaren Bildern ein. Die Bimmelbahn ist ja ein kleiner Dampfzug, so war es wohl auch nicht verwunderlich, dass es zügig mit dem Text voranging, die Bilder interessiert bestaunt wurden. Bei meinem „Muh“ zur Kuh ging die Kleine auf „Repat!“, bis wir letztlich im Duett muhten. Vielleicht wird’s mal olympisch? Wir sind auf alle Fälle dabei! Gemeinsam zählten wir Hasen, entdeckten „links“ und „rechts“, winkten einander zu, gaben fünf (und auch mal mehr), übten das Wort „Bimmelbahn“, was E. den Schnuller aus dem Mund fallen ließ. Neben dem Buch gab es noch zwei absolute Höhepunkte für das kleine Blond-Haar-Mädchen. Mit Staunen entdeckte sie die Haare auf meinen Armen und – noch viel interessanter – meinen Drei-Tage-Bart. Der schien richtig schön zu piksen, was große Freude bereitet, laut lachen ließ. Und plötzlich, ganz unvermittelt, als ich gerade so vor mich hin las, also: vorlas, stieß ein kleiner Kopf sacht an meinen. Ein bisschen Kuscheln … und glückselige blaue Augen …
Szenenwechsel:
Als die „Visite“ ans Bett der kleinen Patientin trat, hieß es für mich „abtreten“. Oder besser: ans nächste Bett, und zwar an das vom kleinen D. Davor aber gab es noch eine Unterhaltung mit den Schwestern und dem Stationsarzt. „Ich habe neulich ein Plakat mit ihnen bei einem Bäcker in, in, in …“ „Stötteritz!“ ergänze ich, „Gesehen!“ Der Tenor der Visiten-Gemeinde: „Ganz toll, was sie machen!“ Hoffen wir mal, dass ich das „Tolle“ noch mehr, noch öfter machen kann, dass sich auch neue und weitere Wege für eine Finanzierung solcher Projekte finden lassen.
Der kleine Junge ist ein wahrer Künstler des kategorischen „Nein!“ Die Praktikantin M., auf dessen Schoß er sitzt, schmunzelt verzweifelt. Ob ich ihm vorlesen darf, ob wir Musik hören wollen, ob ich mit der Handpuppe und ihm tanzen solle, ob er auf dies oder jenes Lust habe, wird mit „Nein!“ beantwortet. Also packe ich Mauricio aus, ziehe ihn auf meine Hand und spiele Musik. Mauricio tanzt, M. schunkelt mit … der Junge kann sich ein Schmunzelns nicht verkneifen. So sind wir über die Musik im Gespräch. Ob er sie nochmals hören wolle? „Nein!“ Doch schon leuchten die Augen, wenn die Musik wieder läuft. Rhetorisch geschickt muss der Abschluss gestaltet werden. „Sicher“ frage ich gespannt: „möchtest du auch kein Abschiedsgeschenk von mir haben.“ Die Spannung hält nur kurz, denn das „Nein!“ folgt prompt. Apropos „prompt“: Genauso prompt hat D. eine kleine Geschenketüte mit einem kleinen Häkelteddy von Jane und den Mädels in der Hand. Große Freude, große Begeisterung! M. fragt, ob sie aus dem Büchlein in der Tüte vorlesen soll … Die Antwort nicht so richtig abwartend, geh ich nochmals ans Bettchen von E., um mich gebührend zu verabschieden. Mit offenen Armen werde ich dort empfangen, vertrete noch für einen Minimoment die Krankenschwester, werde gestreichelt, streichle zurück und winke dem Mädel. Sie winkt auch und ruft: „Winken! Winken!“
Gewinkt wird im Zimmer allen. Daryl rief halblaut: „Nein!“ … winkte mir mit Maria zu.
„Brille!“ ist die ungewöhnliche und etwas andere Begrüßungsformel, Winken hingegen eine durchaus gängige Verabschiedungsformel.
Von Herzen möchte ich auch heute wieder allen Möglich-Machern und Unterstützung danken!